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Rüdiger Storch – das Original unter den Hallensprechern

Er ist längst schon eine Ikone. Rüdiger Storch ist ein Original unter den Hallensprechern, weit über die Grenzen Frankfurts hinaus bekannt. Er polarisiert die Eishockey-Fans in Deutschland, wird je nach Standort geliebt oder gehasst. Wenn er einmal bei den Heimspielen fehlt, was äußerst selten vorkam, fehlt den Ansagen – ohne die Arbeit seiner Vertreter zu negieren – die richtige Würze. Was er in den vielen Jahren am Mikrofon erlebt hat, bringt er „seiner“ Löwen-Familie im Interview mit Löwengebrüll-Mitarbeiter Michael Löffler näher.

Unser Interview mit Rüdiger aus dem neuen Löwengebrüll – vorab online.

Löwengebrüll: Du warst von der ersten DEL-Stunde an Stadionsprecher bei den Löwen. Weißt Du, ob es noch einen Kollegen gibt, der am 16. September 1994 auch schon am Sprecherpult saß?

Rüdiger Storch: Nein. Genau weiß ich es nicht, glaube allerdings, eher nicht. Heute sind viele Hallensprecher professionelle Moderatoren vom Radio oderMediapartner. Ich weiß nur, dass Richie Eberhardt vom EC Bad Nauheim schon einige Jahre länger als ich aktiv war und immer noch im Colonel-Knight-Stadion die Spiele ansagt.

Löwengebrüll: Deine ersten Einsätze sind aber noch eines älteren Datums. Wann war Deine Premiere als Hallensprecher?

Storch: In der Saison 1992/93, erst als kurzfristige Aushilfe, danach regelmäßig.

Löwengebrüll: Wie kamst Du zu dem Job?

Storch: Wie so oft im Leben: Durch einen reinen Zufall. Der damalige Stadionsprecher erkrankte kurzfristig und ich bin ganz spontan eingesprungen. Zur darauf folgenden Saison wurde ich dann gefragt, ob ich die Aufgabe fest übernehmen möchte.

Löwengebrüll: In Deiner Funktion hast Du viele geile Spiele in diversen Ligen erlebt. Kannst Du eine persönliche Top-Five Deiner geilsten Spiele in Frankfurt aufstellen?

Storch: Puh, das ist schwer! Allein im Meisterjahr gab es in den Playoffs schon fünf. Deshalb könnte ich meine Aufzählung nicht auf fünf begrenzen.

Löwengebrüll: Und welches war Dein emotionalstes Match am Ratsweg?

Storch: Da gehört sicher das Spiel gegen Köln dazu, als Corey Miller den letzten Penalty verschossen hat. Auch das 7. Spiel gegen Iserlohn bei uns in der Eissporthalle nach 1:3 Rückstand in der Serie. Das war für mich wohl das emotionalste Spiel aller Zeiten.

Löwengebrüll: An welches Erlebnis als Hallensprecher erinnerst Du Dich besonders?

Storch: Das waren schon so viele bewegende Momente. Heraus ragt sicher das erste Spiel 2010 nach der Insolvenz, als so viele Zuschauer Schlange standen und sich das Frankfurter Eishockey zurück gewünscht haben. Das war eine irrsinnige Motivation, die nicht selbstverständlich war.

Löwengebrüll: Du hattest außergewöhnliche Auftritte erlebt. Was waren Deine gelungensten Gags?

Storch: Ganz klar das Meisterkonzert gegen Mannheim. Ich habe kein Wort gesagt – aber die gesamte Halle hat perfekt mitgemacht, als wäre es jahrelang einstudiert. Ein unvergesslicher Abend, tolle Erinnerung.

Löwengebrüll: Gibt es ein Tabu, das Du nie überschreiten würdest?

Storch: Ich habe jetzt fast 900 Spiele absolviert, nach der Statistik von Jens Strüfing. Und bin dabei immer ohne Beleidigungen ausgekommen, das ist meine persönliche rote Linie. Spott und Ironie konnte ich dabei allerdings nicht ganz verhindern.

Löwengebrüll: Legendär waren Deine Auftritte mit Hans Zach. Wie war es damals? Und stimmt es, dass später sogar so etwas wie Freunde wurdet?

Storch: Das waren glorreiche Zeiten mit Hans Zach. Es hat sich einfach so gegeben. Vor allem in der Zeit, in der er Kassel trainierte. Die Huskies haben bekanntlich zu DEL-Zeiten in Frankfurt nie ein Punktspiel gewonnen. Die Wortgefechte waren scharf, aber persönlich haben wir uns gemocht. Ich habe sogar sein Buch „Alpenvulkan“ von ihm signiert bekommen. Und schon immer habe ich mich mit seiner Frau gut verstanden, die regelmäßig mit in Frankfurt war und mich einige mal vor dem Temperament ihres Mannes „gerettet“ hatte. Ich finde heute sind die Pressekonferenzen meistens überflüssig , da sie nur noch nach „Schema F“ ablaufen.

Löwengebrüll: Zu ganz anderen „Freunden“ von Dir zählt sicher Torwart Markus Keller. Wie ist Eure Verhältnis heute?

Storch: Ich habe leider noch nicht die Möglichkeit gehabt, mit ihm einmal privat zu sprechen. Von Freunden kann man bei uns nicht reden. Aber mit dem nötigen Abstand glaube ich heute, dass selbst Markus bestätigen würde, dass dies eine Anekdote war, die man lange in Erinnerung behält und die uns ewig verbinden dürfte.

Löwengebrüll: Gibt es jemanden, der Dir Deine Späßchen nie verziehen hat?

Storch: Hmm ... Ja sicher. Vor allem Fans aus benachbarten Regionen ... Ansonsten glaube ich, dass alle, die mich wirklich persönlich kennengelernt haben, mir auch verzeihen konnten.

Löwengebrüll: Welchen hessischen Rivalen hast Du am Ratsweg lieber angesagt: Die Huskies oder die Roten Teufel?

Storch: Puh. Da will ich nicht unterscheiden. Kassel aber sah ich hier zumindest wesentlich öfter.

Löwengebrüll: Du bist ein paarmal gesperrt oder mit einer Geldstrafe belegt worden. Aus welchen Anlässen?

Storch: Ein paarmal? Nein!!! Exakt zweimal bei rund 900 Spielen. Beides Mal aus meiner Sicht auch noch völlig zu Unrecht. Einmal gegen Köln, weil ich nach einer klaren Fehlentscheidung in einer Verlängerung in einem wichtigen Playoff-Spiel eine Entschuldigung der Schiedsrichter eingefordert habe. Und der zweite Fall war noch unverständlicher: Weil ich, wie schon erwähnt, den damaligen Huskies-Torhüter Markus Keller bei der Vorstellung der Starting Six mit unserem heutigen Hauptsponsor Orion angesagt habe. Im Nachhinein bleibt es für mich übrigens ganz persönlich immer noch ein grandioser Einfall. Dank der völlig übertriebenen Reaktion von Kasseler Seite ist Orion aktuell unser Hauptsponsor. Eigentlich müssen wir dafür Kassel heute sehr dankbar sein...

Löwengebrüll: Hast Du bestimmte Rituale, die Bestandteil Deiner Auftritte sind?

Storch: Ja einige. Besonders das Begrüßen der Sitzkurve nach meiner Kurzansprache auf dem Eis. Unterschiedlich, früher eigentlich nie, heute in Social-Media-Zeiten muss man schon noch genauer darauf achten was man sagt.

Löwengebrüll: Bereitest Du Dich auf die Spiele besonders vor?

Storch: Das ist unterschiedlich. Früher eigentlich nie, heute in Zeiten von Social Media, muss man schon genauer darauf achten, was man sagt und was nicht.

Löwengebrüll: Ist es irgendwann vorgekommen, dass Du im Eifer des Gefechtes die Stimme verloren hast?

Storch: Schon mehrfach, besonders in der Erkältungszeit. Aber prinzipiell spreche ich ja sehr leise und unaufgeregt... (Anmerkung des Fragestellers: Diese Antwort zählt zu den witzigsten Gags von Rüdiger).

Löwengebrüll: Wer warum Deine Frankfurter Lieblingsspieler?

Storch: Ich habe keine. Wenn ich auch nur einen aufzählen müsste, würde ich damit einem anderen unrecht tun. Es gibt zwei Trainer und Manager, die mich besonders geprägt haben: Bernie Johnston und Rich Chernomaz.

Löwengebrüll: Du hast nicht nur die Spiele angesagt, sondern moderierst seit Jahren auch Sponsoren- oder Fan-Veranstaltungen außerhalb der Halle. Gab es Auftritte, die Dir aus welchem Grund auch immer sehr am Herzen lagen?

Storch: Ja, da kommt einiges zusammen. Mir liegt jede einzelne Veranstaltung am Herzen und deshalb versuche ich auch jede mit meinen bescheidenen Mitteln so gut wie möglich zu moderieren. Das gelingt natürlich nicht immer, schließlich habe ich das auch nie handwerklich gelernt. Ich persönlich finde die Veranstaltung zu Saisonbeginn im Kinopolis jedes Mal eine ganz besondere Herausforderung, in die ich viel Vorbereitungszeit und Herzblut stecke. Die Anspannung vor solchen Events ist mir immer noch riesig. Ich glaube sogar, dass sie eher größer wird, trotz der vielen Jahre, die ich es schon mache.

Löwengebrüll: Ist es für Dich immer noch etwas Besonderes, wenn die Fans „Rüdiger, Rüdiger“ anstimmen?

Storch: Ja, in der Tat. Das ist es wirklich. Natürlich freue auch ich mich, wenn mein Engagement geschätzt wird. Ich frage mich häufig, wie es möglich ist, dass sich das nach 31 Jahren immer noch nicht abgenutzt hat und die Zuschauer meiner Person nicht überdrüssig werden und immer wieder die Sprechchöre ertönen lassen. Ich kann mich schon manchmal selbst nicht mehr hören und schon gar nicht im Nachgang anschauen. Fürchterlich.

Löwengebrüll: Gibt es etwas, das Du den Fans von Dir aus erzählen möchtest?

Storch: Ja. Mir liegt ein ernstes Thema am Herzen, das in diesen Zeiten immer wieder auftaucht: Ich werde häufig von den Fans zum Thema Schweigeminute angesprochen oder angeschrieben. Da werden leider immer öfter Wünsche an die Löwen herangetragen. Jeder dieser Wünsche ist berechtigt. Ich könnte bei jedem Heimspiel eine berechtigte Trauerminute durchführen. Wir haben uns aber entscheiden, das nur dann zu machen, wenn es einen direkten Bezug zum Frankfurter Eishockey hat oder natürlich, wenn es uns die Liga vorschreibt. Es ist ein schwieriges und heikles Thema. Aber ich finde nicht, dass ich einen Besucher, der sich auf ein Eishockeyspiel freut, zum Trauern für das Leid dieser Welt verpflichten soll. Auch, wenn es, wie gesagt, noch so berechtigt wäre.

Löwengebrüll: Was motiviert Dich, nach so vielen Jahren weiter zu machen?

Storch: Natürlich vor allem die tollen Menschen, die unsere Löwen-Organisation begleiten. Allen voran Stefan Krämer und Andreas Stracke, die trotz aller Widerstände mit ihren ganzen Herzen erstklassiges Eishockey in Frankfurt möglich machen. Und natürlich die unzähligen herzlichen Fans und auch Sponsoren, die ich über all die Jahre kennenlernen durfte.

Löwengebrüll: Wie lange bleibt Rüdiger Storch den Löwen Fans noch erhalten?

Storch: Das will ich nicht terminieren. Das Ende kommt sicher sehr spontan. Im optimalen Fall bei bester Gesundheit und im Einvernehmen mit der Löwen-Organisation. Ich hoffe, ich verpasse den Zeitpunkt nicht, an dem einfach Schluss sein sollte.

Löwengebrüll: Was könntest Du Dir als krönenden Abschluss Deiner Hallensprecher-Karriere vorstellen? Und wünschen?

Storch: Ein Spiel – und wirklich nur ein einziges – in einer neuen Multifunktionsarena, auch wenn ich bis dahin schon 20 Jahre nicht mehr im Amt bin.